Fibrous Tectonics

2022 ICD Forschungsgebäude / Prototypen
MAXXI – Museo nazionale delle arti del XXI secolo, Rom

Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (Prof. A. Menges)
Institut für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen (Prof. J. Knippers)

Bilder von ICD/ITKE/IntCDC Universität Stuttgart

Bilder der Ausstellung © Musacchio, Ianniello, Pasqualini & Fucilla, mit Genehmigung von Fondazione MAXXI

Maison Fibre Modell, ICD/ITKE/IntCDC University of Stuttgart

Fibrous Tectonics: Biobasierte und bio-inspirierte Architektur

Fibrous Tectonics
Bio-basierte und bio-inspirierte Architektur

Das Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) und das Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) an der Universität Stuttgart haben ein neues hybrides Bausystem aus Flachsfasern und Holzpaneelen entwickelt, das die Effektivität natürlicher Faserstrukturen mit den ökologischen Vorteilen biobasierter Faserfilamente verbindet. Auf Grundlage modernster computerbasierter Entwurfs- und Simulationsmethoden und robotischer Fertigungsverfahren und basierend auf den Konstruktionsprinzipien natürlicher Fasersysteme zeigt diese Forschungsarbeit eine neue und innovative Herangehensweise für Faserverbundstrukturen in der Architektur auf.

Im Rahmen der Ausstellung Technoscape im MAXXI-Museum in Rom präsentiert ein vollmaßstäblicher Prototyp diesen wichtigen Schritt in der Forschung der beiden Institute. Die Tragstruktur aus Naturfasern ermöglicht eine neuartige, bioinspirierte und biobasierte Tektonik, die zugleich materialeffizient, nachhaltig und architektonisch ausdrucksstark ist und die komplexen Wechselwirkungen zwischen Technologie, Biologie und Kultur thematisiert.

 

Faser-Morphologien in der Biologie und Architektur

Der überwiegende Teil lasttragender, natürlicher Strukturen ist aus Faserverbundstoffen aufgebaut. Durch eine die Faser umgebende Matrix wird die Faser gestützt und kann so Druckkräfte aufnehmen. Obwohl die Fasern und Matrix im Verbundwerkstoff getrennt bleiben, führt ihre Kombination zu in der Regel überlegenen Leistungsmerkmalen, die über jene der einzelnen Bestandteile hinausgehen.

Die beeindruckende funktionale Integration, Leistungsfähigkeit und Ressourceneffizienz biologischer Faserstrukturen wird durch morphologische Differenzierung ermöglicht, die dafür sorgt dass jedes Element entsprechen seiner spezifischen Leistungsanforderungen und Umwelteinwirkungen  individuell abgestimmt wird. Da diese Abstimmung hauptsächlich durch Veränderungen der Faserorganisation und -anordnung erreicht wird, bietet die Biologie ein reichhaltiges Repertoire an Inspirationen zu Faseranordnung für architektonische Anwendungen.

Die Entwicklung entsprechender computerbasierter Entwurfs-, Simulations- und Fertigungsverfahren für die Architektur wurde in verschiedenen Projekten von ICD und ITKE untersucht. Einen wichtigen neuen Schwerpunkt stellt die Ausweitung der Forschung auf biobasierte Fasermaterialien wie Hanf- und Flachsfasern dar. Diese Materialien wachsen in kurzen Erntezyklen nach und bieten die Möglichkeit, die Effektivität differenzierter Faserstrukturen mit den ökologischen Vorteilen natürlicher Materialien zu verbinden. 

 

Innovatives hybrides Bausystem aus Fasern

Die multidisziplinäre Forschung zu Fasermorphologien in der Architektur bietet mehrere interessante Erkenntnisse. Die Verwendung von Fasern oder Faserbündeln anstelle von vorgefertigten Fasermatten oder Textilien erschließt neue Gestaltungsperspektiven. Die Flexibilität, jede einzelne Faser über mehrere Hierarchieebenen hinweg individuell im Raum auszurichten und zu positionieren, lässt die Grenze zwischen Material und Struktur verschwimmen und erweitert so den Gestaltungsspielraum hin zu einer "gestaltbaren" Materialität. Im Gegensatz zur Verbindung von einzelnen Bauteilen mit klar definierten Materialeigenschaften wird hier die lokale Differenzierung des Materials innerhalb der Gesamtstruktur ermöglicht.

„Fibrous Tectonics“ zeigt die Verbindung der technischen und kulturellen Dimension von Fasersystemen in der Architektur und dem umfangreichen Repertoire faserbasierter Morphologien in der Natur auf. Die großmaßstäbliche, bio-inspirierte Struktur ist vollständig aus natürlichen Materialien gefertigt. Die 5 x 5 m große Struktur besteht aus vier kleineren Fasermodulen, auf deren Unterseite die fein differenzierte Faserstruktur klar zu erkennen ist. In Verbindung mit den Holzplatten bilden die Faser- und Holzkomponenten eine neuartige Hybridstruktur, die als eine wichtige strukturelle Komponente des auf der Architekturbiennale Venedig 2021 ausgestellten ICD/ITKE Projekts Maison Fibre kontextualisiert wird. Als Kontrast zur Installation in Venedig, die übliche technische Fasern aus Glas und Kohlenstoff verwendete, ist das MAXXI-Exponat vollständig aus natürlichen Flachsfasern hergestellt. Es zeigt, wie aktuelle Technologien ein neuartiges Bausystem ermöglichen, das auf bio-inspirierten Entwurfsprinzipien, innovativen computerbasierten Planungsprozessen und robotischen Herstellungsverfahren sowie biobasierten Materialien basiert. So entsteht die Möglichkeit, den Kanon üblicher Bausysteme für Gebäude im Sinne einer nachhaltigen und zukunftsorientiert bebauten Umwelt signifikant zu erweitern oder gar neu zu denken.

 

PROJECT TEAM

ICD – Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung, Universität Stuttgart
Prof. Achim Menges
Katja Rinderspacher, Christoph Schlopschnat, Christoph Zechmeister, Niccolo Dambrosio, Rebeca Duque Estrada, Fabian Kannenberg


ITKE – Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen, Universität Stuttgart
Prof. Jan Knippers
Marta Gil Pérez, Yanan Guo


Studierende: Christian Steixner, Alan Eskildsen, Alina Turean, Xi Peng,Weiqi Xie

In Zusammenarbeit mit: FibR Gmbh Stuttgart

Projektunterstützung: Cluster of Excellence Integrative Computational Design and Construction for Architecture (IntCDC), Universität Stuttgart

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