ICD Aggregat Pavillon 2018

2018   ICD Forschungsgebäude / Prototypen

Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (K. Dierichs, A. Menges)

Bilder von ICD Universität Stuttgart

Bilder von Roland Halbe

Prozess Bilder von ICD Universität Stuttgart

Projekt Video

Quelle: Vimeo

ICD Aggregat Pavillon 2018

Granularen Substanzen, wie Sand oder Kies, befinden sich in der Natur in ständigen Bildungsprozessen durch anhaltende Zyklen von Erosion und Akkretion. Was wäre, wenn die Architektur dieses Verhalten nachahmen und eine ebenso kontinuierliche Rekonfiguration ermöglichen würde?

Der ICD Aggregat Pavillon 2018 präsentiert die neuesten Ergebnisse aus 10 Jahren Forschung an künstlichen granularen Materialien in der Architektur. Es handelt sich um den ersten vollständig umschlossenen architektonischen Raum, der aus einem spezifisch dafür entworfenen Granulat besteht, in dem die Partikel nur in losem Reibkontakt stehen. Solche ungebundenen granularen Materialien zeigen die einzigartige Eigenschaft, sowohl den stabilen Charakter von Festkörpern als auch die schnelle Rekonfigurierbarkeit einer Flüssigkeit annehmen zu können. Wenn spezifisch gestaltete Partikel eingesetzt werden, können granulare Materialien selbsttragende Raumstrukturen bilden und gleichzeitig vollständig anpassungsfähig und wiederverwendbar bleiben. 70.000 sternförmige, weiße Partikel sind aus recyceltem Kunststoff gefertigt worden. Sie werden von einem schnell einsetzbaren, großformatigen Robotersystem vor Ort geschüttet. Der Pavillon zeigt, wie entworfene granulare Materialien ein neuartiges Paradigma von produktiven Formen der De- und Re-Stabilisierung eröffnen und damit eine Architektur ermöglichen, die rapide errichtet und rekonfiguriert werden kann, aber auch ebenso schnell entfernt und wiederverwendet.

ENTWORFENE GRANULARE MATERIALIEN
Der ICD Aggregat Pavillon 2018 untersucht die Konstruktion von Raumstrukturen aus spezifisch entworfenen granularen Materialien. Granulate sind Materialsysteme, die aus einer großen Anzahl von Partikeln bestehen. Diese Partikel sind nicht an einander gebunden: Sie interagieren nur durch Kontaktkräfte. In der Natur sind Sand, Kies oder Schnee Beispiele für diese Materialsysteme. In einem entworfenen granularen Material werden die Partikel künstlich hergestellt und somit kann ihre Geometrie und ihr Material von dem Entwerfer definiert werden. Der Entwurf der einzelnen Partikel ermöglicht die Kalibrierung der Eigenschaften des gesamten granularen Materials.

DESIGN‐MODELL
Der ICD Aggregat Pavillon 2018 verwendet zwei Arten von entworfenen Partikeln mit unterschiedlichem Verhalten: konvexe Kugeln, die fließen können, und hochkonvexe Hexapoden und Dekapoden, die sich ineinander verkeilen können. Die konvexen Kugeln sind eine Schalung für die hochkonvexen Hexapoden und Dekapoden, die als selbsttragende Raumstruktur erhalten bleiben. Beide Arten können immer wiederverwendet werden, da die Partikel nicht an einander gebunden sind. So wurden die in früheren Projekten eingesetzten Partikel vollständig für den ICD Aggregat Pavillon 2018 wiederverwendet.
Die hochkonvexen Hexapoden werden im Spritzgussverfahren aus recycelten Kunststoffen industriell hergestellt. Die konvexen Kugeln sind industriell vorgefertigte Pneus. Durch die Verwendung einer großen Anzahl von ihnen werden sie zu einem losen Schüttgut. Als Pneus haben sie den zusätzlichen Vorteil eines geringen Packvolumens und eines hohen einsetzbaren Volumens. Wie die hochkonvexen Hexapoden und Dekapoden sind sie für die nächsten Projekt‐Iterationen vollständig wiederverwendbar.

BAUPROZESS
Großmaßstäbliche Strukturen aus entworfenen granularen Materialien müssen vor Ort konstruiert werden. In diesem Fall wurde der industrielle Lagerraum der granularen Materialien in eine Produktionshalle umgewandelt. An vier Punkten wurde flexibel installierbarer Seilroboter an den Wänden der Halle und ihrer Tragkonstruktion befestigt. Die Gesamtarbeitsfläche misst ca. 9 x 10 Meter. Die Aufbewahrungsboxen des Granulats werden als Effektor auf dem kabelgebundenen Parallelroboter eingesetzt, der sie zu einem genau definierten Depositionspunkt fährt und dort entlädt. Somit werden die leeren Kartons als Container an den Rändern der Konstruktion abgelegt. Auf diese Weise sind auch die Lager‐, Produktions‐ und Behältersysteme nie redundant, sondern vollständig wiederverwendbar.
Der Seilroboter wurde über eine kundenspezifische Schnittstelle mit einer parametrischen Modellierungsumgebung gesteuert. Der Entwurfs‐ und Konstruktionsprozess beinhaltete einen Bildalgorithmus, der es ermöglicht, die geometrische Genauigkeit der Struktur mittels Bildtrennung zu überprüfen. Der Entwurf von zwei miteinander verbundenen Gewölben untersucht das Potenzial von räumlichen Strukturen, die vollständig aus gestalteten granularen Materialien im architektonischen Maßstab bestehen.

PROJEKTINFORMATIONEN
Adresse: 70469 Stuttgart, Deutschland
Installiert: Sommer 2018
Größe: ca. 105 Kubikmeter
Gewicht: ca. 2500 Kilogramm
Anzahl der Partikel: ca. 120.000 nicht‐konvexe Partikel (ca. 70.000 Hexapoden und ca. 50.000 Dekapoden) und ca. 725 konvexe Partikel (Kugeln).

ICD Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung

Karola Dierichs, Achim Menges

Wissenschaftliche Mitarbeiter

Christian Arias, Bahar Al Bahar, Elaine Bonavia, Federico Forestiero,
Pedro Giachini, Shir Katz, Alexandre Mballa‐Ekobena, Leyla Yunis, Jacob Zindroski

Seil‐Roboter

Ondrej Kyjanek, Martin Loucka

Fertigung

Wilhelm Weber GmbH & Co. KG

Unterstützung

GETTYLAB
ITASCA Consulting Inc.

Kontaktinformation

 

Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung

Universität Stuttgart, Keplerstraße 11, 70174 Stuttgart

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